Freie Presse - Auerbacher Zeitung - Donnerstag, d. 15.11.2012.
Grundstücks-Streit erreicht Karlsruhe
Bis vors höchste deutsche Gericht hat ein Bergener seinen Rechtsstreit getragen: Es geht um 18 Quadratmeter Land.

VON BERND APPEL

BERGEN — 250 Seiten dick ist die Beschwerdeschrift, die Werner Schaller im September beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht hat. Im Oktober hat sein Fall ein Aktenzeichen zugeteilt bekommen und wird damit irgendwann amhöchsten deutschen Gericht verhandelt. Akribisch listet der Kläger die Geschichte des Rechtsstreits auf, die zehn Jahre zurückreicht. Der Bergener wirft den Behörden vor, ihn illegal um 18 Quadratmeter Land gebracht zu haben, direkt vor seinem Haus. Im Zuge des Umbaus der Bundesstraße war die Fläche im Jahr 2006 gegen seinen Willen enteignet worden, wenn auch gegen Entschädigung.

Schaller spricht von „Manipulationen“, die im Spiel gewesen seien. Deshalb führe die stark befahrene Bundesstraße jetzt so dicht an seinem Haus vorbei, dass dessen Grundmauern zerstört würden: „Wenn hier ein Laster vorbeirauscht, scheppert die ganze Hütte.“ Und er könne an seinem Gebäude nichts mehr Sinnvolles bauen, da Erschütterungen und von der Straße kommende Nässe alles zunichte machten.

Ein von Schaller angestrengtes Ermittlungsverfahren gegen Vertreter von Kommune, Verwaltungsverband und Straßenbauamt war eingestellt worden. Das Landgericht Zwickau hatte die Enteignung für rechtmäßig erklärt. Der 50-Jährige hofft nun, dass das Verfassungsgericht das Zwickauer Urteil aufhebt und die Verlegung der Bundesstraße anordnet. Dann würde die Fahrbahn zwei Meter von seinem Haus wegrücken – auf der anderen Seite sei genug Platz, meint Schaller.

In anderen Fällen hätten die Verfassungsrichter Anlagen demontieren lassen, die illegal errichtet worden seien. Zwar liegen die Chancen für den Erfolg einer Verfassungsbeschwerde nur bei wenigen Prozent. Trotzdem ist der Bergener zuversichtlich: „Es ist doch endlich ein unabhängiges Gericht.“ Er geht davon aus, dass sein Verfahren in drei bis vier Jahren an die Reihe kommen könnte. Und falls er wider Erwarten unterliegen sollte, bleibe ihm noch der Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.



6000 Beschwerden pro Jahr

Die Verfassungsbeschwerde ist ein außerordentlicher Rechtsbehelf in Deutschland, mit dem Personen eine Verletzung ihrer Grundrechte durch Akte der Staatsgewalt geltend machen können. Verfassungsbeschwerden machen 96 Prozent aller beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren aus. Ihre Zahl stieg bis 2011 auf 6208 pro Jahr. (bap)