Freie Presse - Auerbacher Zeitung - Mittwoch, 7. Juni 2000
Kräuterhaus Bergen vor dem Verfall gerettet
Einst sehr bekannte Annahmestelle für Kräutersammler

Bergen. Das Kräuterhaus in Bergen war früher sehr bekannt. Viele Leute bedauerten den allmählichen Verfall sehr. Heute ist das Haus wieder bewohnt, und vielleicht wird es noch einmal eine solche Blüte wie in vergangenen Tagen erleben.

Das Kräuterhaus in Bergen gehörte zum Pharmaziewerk Leipzig. Der Chef, Karl Weigert, beschäftigte zwischen zwei und drei Mitarbeiter. Das Unternehmen war nicht nur eine Annahmestelle für Kräuter, sondern übernahm auch die Kräuteraufbereitung und verkaufte verschiedene Teesorten. Auf den gegenüberliegenden Wiesen und Feldern wurden Königskerzen angepflanzt, die ebenfalls weiterverarbeitet wurden. Im Bergener Wald, beim Forellenteich, wurden Birken angezapft, deren Saft in Ballons abgefüllt wurde. In Chrieschwitz wurden die reichlich vorhandenen Brennnesseln gemäht und getrocknet. Hierfür wurden extra Räume im Schloss Bergen gemietet, die mit großen Ventilatoren ausgestattet waren. Außerdem mietete man in Taltitz in der LPG eine Scheune, die Lüfter besaß und so ebenfalls dem Trocknen verschiedener Kräuter diente. Anschließend füllte man diese in große Säcke und Tüten ab. Besonders selten zu finden war die Faulbaumrinde, die meist nur am Harzberg zu bekommen war.

Diese wurde abgeschält und ebenfalls weiterverwendet. Weitere Kräuter, die gesammelt wurden, waren beispielsweise Malvenblüten, Kamille und Huflattich. Viele Kinder und Jugendliche verdienten sich durch das Sammeln von Kräutern Geld. Ein Kilogramm Brennnesseln brachte zum Beispiel 30 Pfennige, ein Kilogramm gezupfter Huflattich 55 Pfennige.

Viele stellen sich nun die Frage, was heute aus dem Kräuterhaus geworden ist. Eine Familie aus Zwickau fand hier ihr neues Zuhause. Die aus einem Mehrfamilienhaus kommende Familie wurde durch einen Zufall auf das Grundstück aufmerksam und war vom ersten Augenblick an fasziniert von der Ruhe. Im November kaufte die Familie das Objekt und begann mit dem Ausbau. Im letzten Jahr war das von Grund auf sanierungsbedürftige Gebäude endlich fertig und man konnte einziehen.

Da das Kräuterhaus Bergen überall sehr bekannt war, erhielt die Familie nach dem Kauf zahlreiche Anfragen von verschiedenen Firmen der Umgebung. Eine Wiederbelebung der Kräuterannahmestelle scheint möglich. Da die Familie mit dem Umbau des Hauses bisher jedoch völlig ausgelastet war, gibt es bislang dazu aber noch keine konkreten Pläne. (ax)

Als Kräuterhaus in Bergen ist es Einheimischen noch bekannt: Vor dem Fall hat es eine Familie aus Zwickau gerettet.

FOTO: JOACHIM TH0SS